Fremdkörper eingeatmet: Wenn dein Kind plötzlich keine Luft mehr bekommt
Fremdkörper eingeatmet bedeutet: Einatmen, Husten, keine Luft – das Szenario, bei dem ein Kind einen Fremdkörper in die Atemwege bekommt, gehört zu den größten Ängsten vieler Eltern. Der medizinische Begriff dafür lautet „Fremdkörperaspiration“. In Sekunden kann sich die Situation dramatisch zuspitzen. Umso wichtiger ist es, dass du als Elternteil weißt, was im Ernstfall zu tun ist. In diesem Artikel erfährst du, wie du einen eingeatmeten Fremdkörper erkennst, wie du im Notfall helfen kannst und wann ärztliche Hilfe unverzichtbar ist. Außerdem erklären wir dir, warum bestimmte Maßnahmen wirken – und welche Unterschiede es bei Säuglingen und Kindern gibt. Du bekommst einen klaren Überblick, fachlich fundiert und zugleich verständlich – denn ein eingeatmeter Fremdkörper ist in der Regel leicht zu entfernen. Alle Aussagen in diesem Artikel beruhen auf aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnissen und medizinischen Leitlinien.
Wer ist besonders gefährdet? Die wichtigsten Risikogruppen
Fremdkörperaspirationen betreffen besonders häufig Kinder unter vier Jahren, mit einem Häufigkeitsgipfel im Alter von ein bis drei Jahren. Das liegt vor allem daran, dass Kinder in dieser Entwicklungsphase ihre Umwelt mit dem Mund erkunden, gleichzeitig aber noch unzureichende Schutzreflexe und eine eingeschränkte Kaumotorik haben [2][7]. Auch Gedeihstörungen, neurologische Vorerkrankungen oder andere Entwicklungsverzögerungen erhöhen das Risiko deutlich [1][7]. Für diese Gruppen empfehlen Fachgesellschaften eine intensivere ärztliche Begleitung und regelmäßige Teilnahme an Erste-Hilfe-Kursen mit praktischen Übungen [1].
Fremdkörper eingeatmet: Erste Hilfe bei Luftnot - jetzt muss es schnell gehen
Zuerst: Allgemeines Vorgehen für alle Altersgruppen
Erkenne die Notfallsituation: Fremdkörper eingeatmet
Mögliche Zeichen: plötzliches Husten, Würgen, pfeifende Atmung (Stridor), Stimmverlust, Atemnot oder Zyanose (blaue Lippen/Haut).
Sprich das Kind an
Reagiert es? Kann es husten, weinen, atmen? Bleib ruhig – Panik überträgt sich!
Unterscheide zwei Situationen:
– Effektiver Husten: Kind kann selbstständig husten → Beobachten, beruhigen, NICHT eingreifen.
– Ineffektiver Husten oder Atemstillstand: Kind bekommt keine Luft, kann nicht sprechen oder bewusstlos → sofort handeln!
Säuglinge unter 1 Jahr: Wenn der Säugling noch bei Bewusstsein ist und nicht effektiv hustet:
Rufe den Notruf 112
Falls möglich, lasse jemand anderen den Notruf absetzen, während du beginnst.
Führe 5 Rückenschläge durch
– Lege den Säugling bäuchlings auf deinen Unterarm.
– Stütze Kopf und Nacken, sodass der Kopf tiefer als der Rumpf liegt.
– Gib mit der flachen Hand 5 kräftige Schläge zwischen die Schulterblätter.
Führe 5 Thoraxkompressionen durch
– Drehe den Säugling auf den Rücken (weiterhin mit Kopf tiefer als Rumpf).
– Setze 5 schnelle Brustkorbkompressionen in Herzdruckposition durch, etwa 1–2 cm tief, mit zwei Fingern auf der unteren Hälfte des Brustbeins.
Wechsle Rückenschläge und Kompressionen ab
Wiederhole den Wechsel aus 5 Rückenschlägen und 5 Thoraxkompressionen bis
– der Fremdkörper rauskommt,
– der Säugling wieder normal atmet oder
– er bewusstlos wird → Reanimationsmaßnahmen einleiten.
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Rufe den Notruf 112
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Führe 5 Rückenschläge durch
– Lehne das Kind nach vorne (Oberkörper deutlich nach unten).
– Gib 5 kräftige Schläge zwischen die Schulterblätter mit der flachen Hand.
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Führe 5 Bauchkompressionen (Heimlich-Handgriff) durch
– Stelle dich hinter das Kind, umfasse den Oberbauch mit beiden Armen.
– Setze eine Faust über dem Bauchnabel an, greife sie mit der anderen Hand.
– Führe kräftige, ruckartige Züge nach innen-oben aus.
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Wechsle Rückenschläge und Heimlich-Handgriffe ab
Fahre fort, bis
– der Fremdkörper entfernt ist,
– das Kind wieder normal atmet oder
– das Kind bewusstlos wird → Reanimationsmaßnahmen einleiten.
Fremdkörper eingeatmet: Was passiert im Körper?
Wird ein Gegenstand – meist während des Essens oder Spielens – nicht verschluckt, sondern versehentlich als Fremdkörper eingeatmet, gelangt er über den Kehlkopf in die Luftröhre (Trachea) oder weiter in die Bronchien. Dort kann er die Atemwege teilweise oder vollständig blockieren [1][2]. Je nach Ort der Blockade kann das betroffene Kind husten, pfeifend atmen (Stridor) oder sogar eine akute Atemnot entwickeln. Besonders gefährlich wird es, wenn der Fremdkörper komplett die oberen Atemwege verschließt. Dann besteht Erstickungsgefahr.Sobald der Verdacht besteht, dass ein Kind etwas eingeatmet hat und akut in Not ist, zählt jede Sekunde. Ziel ist es, den Fremdkörper rasch zu lösen. Hier unterscheidet man klar zwischen dem Vorgehen bei älteren Kindern (ab einem Jahr) und bei Säuglingen unter einem Jahr.
Welche Fremdkörper werden besonders häufig eingeatmet?
Zu den häufigsten aspirierenden Objekten zählen Erdnüsse, Sonnenblumenkerne, Popcorn, Karottenstücke, Äpfel, Bonbons, Münzen, Knöpfe und Spielzeugteile [2][6]. Besonders riskant ist die Kombination aus runder Form, glatter Oberfläche und fester Konsistenz. Daher sollten beispielsweise Nüsse, Weintrauben oder Cocktailtomaten im Beikostalter unbedingt vermieden oder speziell präpariert werden – z. B. durch Zerkleinern oder Pürieren [1][2]. Zumindest aber sollten Eltern während des Verzehrs der genannten Lebensmittel mir ihrer vollen Aufmerksamkeit beim Kind sein, um rechtzeitig eingreifen zu können, falls das Kind Nahrungsbestandteile in die Atemwege bekommt.
Einatmen oder Verschlucken – wo liegt der Unterschied?
Viele Eltern suchen im Internet nach Begriffen wie „verschluckter Fremdkörper“, „Kind hat was eingeatmet“, „Baby bekommt keine Luft“, „Erstickungsnotfall“ oder „Fremdkörper verschluckt“. Medizinisch ist die Unterscheidung jedoch entscheidend: Wird ein Fremdkörper verschluckt, gelangt er über die Speiseröhre (Ösophagus) in den Magen-Darm-Trakt. Das ist zwar oft unangenehm, aber nur selten akut lebensbedrohlich. Anders bei der Aspiration: Gelangt der Fremdkörper in die Atemwege bzw. wird ein Fremdkörper eingeatmet, droht ein vollständiger Atemwegsverschluss – das ist ein echter Notfall [1][5]. Deshalb gilt: In diesem Artikel geht es ausschließlich um den eingeatmeten Fremdkörper. Auch verschluckte Fremdkörper können lebensbedrohlich werden (z.B. Knopfzellen, Magnete), jedoch meist erst nach mehreren Minuten oder Stunden. Dahingegen ist der akute Verschluss der Atemwege ganz akut und sofort lebensbedrohlich.
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Eingeatmeter Fremdkörper: Welche Anzeichen deuten darauf hin?
Ein starker Hustenanfall unmittelbar nach dem Vorfall ist das häufigste Symptom. Aber auch pfeifende Geräusche beim Ein- oder Ausatmen, Atemnot, Blaufärbung der Lippen (Zyanose), Unruhe oder sogar Bewusstlosigkeit können auftreten [1][2][7]. In einigen Fällen bleibt der Fremdkörper zunächst unbemerkt und wird erst später durch anhaltenden Husten, wiederkehrende Infekte oder auffällige Atemgeräusche auffällig [6].
Erste Hilfe: Was du tun kannst, wenn dein Kind einen Fremdkörper eingeatmet hat
Wenn das Kind hustet, lass es weiter husten – das ist der effektivste natürliche Schutzreflex. Schreite nur ein, wenn die Atmung eingeschränkt oder vollständig blockiert ist. Dann solltest du je nach Alter unterschiedlich vorgehen:
- Säuglinge unter einem Jahr: fünf Rückenschläge zwischen die Schulterblätter bei tiefer Kopflagerung, gefolgt von fünf Brustkorbkompressionen (ähnlich wie bei der Reanimation, aber mit geringerem Druck) [4].
- Kinder über einem Jahr: fünf Rückenschläge und, falls nicht wirksam, das Heimlich-Manöver (abdominale Schubtechnik), bei dem du von hinten Druck auf den Oberbauch ausübst [4].
Halte den Kopf immer tief, um die Schwerkraft zu nutzen. Wenn dein Kind bewusstlos wird: Notruf 112 und sofort mit der Wiederbelebung beginnen [4][5]. Während der Wiederbelebung soll auch eine Mund-zu-Mund Beatmung versucht werden. Durch diesen externen Reiz gelangen ggf. dennoch geringen Mengen Sauerstoff tief in die Lunge und damit auch ins Blut.
Für besonders Interessierte: Warum helfen die Erste-Hilfe-Maßnahmen?
Rückenschläge und Heimlich-Manöver erzeugen einen raschen Überdruck in den unteren Atemwegen. Dieser „Luftstoß“ kann den Fremdkörper – ähnlich wie ein Korken – aus den oberen Atemwegen herausbefördern [4]. Studien und physikalische Modelle zeigen, dass gezielte Druckverlagerungen im Brustkorb zu einer effektiven Atemwegsbefreiung führen können [8]. Bei Säuglingen kommt hinzu, dass ihre Atemwege deutlich schmaler und weicher sind, was zwar die Aspiration erleichtert, gleichzeitig aber eine höhere Erfolgswahrscheinlichkeit der Maßnahmen bedeutet, wenn sie korrekt ausgeführt werden [4].
Was ist von Anti-Erstickungs-Devices zu halten?
In sozialen Medien – vor allem auf Instagram und TikTok – werden sogenannte „Anti-Choking-Devices“ aggressiv beworben. Dabei handelt es sich um Sauggeräte, die per Unterdruck einen eingeatmeten Fremdkörper aus den Atemwegen entfernen sollen. Auch wenn diese Geräte theoretisch plausibel wirken, ist die Studienlage ernüchternd: Eine systematische Übersichtsarbeit zeigt, dass es bislang keine belastbaren Beweise für ihre Wirksamkeit gibt – insbesondere nicht im Vergleich zu etablierten Erste-Hilfe-Maßnahmen wie Rückenschlägen oder dem Heimlich-Manöver [3]. Auch in experimentellen Settings ist unklar, ob der erzeugte Unterdruck zuverlässig stark genug ist, um Obstruktionen (Verlegung/Verengung) zu lösen [8][9].
Die aktuellen Leitlinien des European Resuscitation Council und deutscher Fachgesellschaften empfehlen deshalb weiterhin die manuellen Maßnahmen und sprechen keine generelle Empfehlung für diese Geräte aus [4].
Wann du mit deinem Kind zum Arzt solltest
Nach einer erfolgreich behobenen Fremdkörperaspiration solltest du dein Kind immer ärztlich untersuchen lassen – auch wenn es danach beschwerdefrei wirkt. Verbleibende Partikel, Schleimhautschäden oder unvollständig entfernte Objekte können zu späteren Komplikationen führen [2][6]. Bei anhaltendem Husten, Fieber oder auffälliger Atmung ist eine bildgebende Diagnostik notwendig – meist eine Röntgenaufnahme oder, bei Unsicherheiten, eine Bronchoskopie (Spiegelung der Atemwege) [2][7].
Häufige Fragen zum Thema Eingeatmeter Fremdkörper - Kurz und knapp
Woran erkenne ich, dass mein Kind einen Fremdkörper eingeatmet hat?
Typische Warnzeichen sind plötzliches Husten, Würgen, Atemnot, pfeifende Atemgeräusche (Stridor) oder ein starker Hustenanfall ohne vorherigen Infekt. In schweren Fällen kann es zu Atemstillstand oder blauer Hautverfärbung (Zyanose) kommen.
Was ist der Unterschied zwischen verschlucken und einatmen?
Ein verschluckter Fremdkörper gelangt in die Speiseröhre und den Magen – meist ungefährlich. Ein eingeatmeter Fremdkörper (aspiriert) hingegen gelangt in die Luftröhre oder Bronchien und kann die Atmung akut behindern. Beides sind medizinische Notfälle – aber die Aspiration ist deutlich dringlicher.
Was muss ich tun, wenn mein Kind sich verschluckt oder einen Fremdkörper eingeatmet hat?
Wenn das Kind hustet, nicht spricht, keine Luft bekommt oder sich die Haut verfärbt: sofort Notruf wählen. Je nach Alter: Rückenschläge oder Heimlich-Handgriff anwenden. Bei Säuglingen unter einem Jahr ist die Technik anders als bei älteren Kindern. In jedem Fall: schnell, aber ruhig handeln.
Ab wann sollte ich mit meinem Kind ins Krankenhaus?
Immer, wenn ein eingeatmeter Fremdkörper vermutet wird – auch ohne akute Atemnot – sollte ärztlich abgeklärt werden. Ein scheinbar harmloser Husten kann auf eine Aspiration hinweisen. Auch wenn das Kind sich wieder erholt hat, ist eine ärztliche Untersuchung dringend empfohlen.
Welche Fremdkörper werden besonders häufig eingeatmet?
Typisch sind Nüsse (besonders Erdnüsse), Trauben, Spielzeugteile, Perlen, Knöpfe, Münzen und Essensreste. Auch feste Beikost wie Karottenstücke oder Apfelspalten können gefährlich sein – vor allem im Alter unter einem Jahr.
Wie kann ich verhindern, dass mein Kind etwas einatmet?
Kleine Kinder beim Essen nie unbeaufsichtigt lassen, nur altersgerechte Lebensmittel anbieten (z. B. keine Nüsse unter 3 Jahren), Trauben und Tomaten vierteln. Spielzeug regelmäßig auf Kleinteile prüfen – besonders bei Geschwistern mit Kleinteilen im Haushalt.
Warum ist ein eingeatmeter Fremdkörper so gefährlich?
Er kann die Atemwege teilweise oder vollständig blockieren. In Sekunden kann daraus ein lebensbedrohlicher Notfall werden. Selbst wenn das Kind danach scheinbar stabil ist, kann eine spätere Komplikation wie eine Lungenentzündung folgen.
Mein Kind hat etwas verschluckt – was jetzt?
Solange es normal atmet, nicht hustet oder würgt, ist der Fremdkörper wahrscheinlich im Magen. Trotzdem sollte der Vorfall ärztlich abgeklärt werden. Besonders gefährlich sind scharfkantige, spitze, giftige oder magnetische Gegenstände.
Gibt es einen Unterschied zwischen Aspiration bei Säuglingen und größeren Kindern?
Ja. Säuglinge haben engere Atemwege und weniger Kraft zum Husten – ein eingeatmeter Fremdkörper ist hier besonders kritisch. Auch die Erste-Hilfe-Maßnahmen unterscheiden sich: Bei Säuglingen wird z. B. kein Heimlich-Manöver durchgeführt, sondern gezielte Rückenschläge und Thoraxkompressionen.
Sind spezielle Anti-Erstickungsgeräte (Sauggeräte) für Kinder empfehlenswert?
Derzeit gibt es keine offizielle Empfehlung zur generellen Nutzung solcher Geräte in der Ersten Hilfe. Studienlage und Erfahrungen sind begrenzt. Sie ersetzen keinesfalls die etablierten Maßnahmen wie 5x Rückenschläge und 5x Heimlich-Handgriff (Kinder Ü1) und Brustkorbkompressionen (Kinder U1) im Wechsel.
Quellen und weiterführende Links
[1] Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften (AWMF). S2k-Leitlinie: Interdisziplinäre Versorgung von Kindern mit Fremdkörperaspiration und Fremdkörperingestion. Deutsche Gesellschaft für Anästhesiologie und Intensivmedizin (2024).
[2] e.Medpedia Pädiatrie: Fremdkörperaspiration. SpringerMedizin.de (2023).
[3] Dunne, C., et al. A systematic review on the effectiveness of anti-choking suction devices and identification of research gaps. Resuscitation (2021).
[4] European Resuscitation Council Guidelines 2021. Paediatric Life Support. (ERC, 2021).
[5] FBAO Algorithmus GRC (2022). First Aid in Foreign Body Airway Obstruction (FBAO).
[6] Ramaswamy, A. et al. The efficacy of two commercially available devices for airway foreign body removal. Laryngoscope Investigative Otolaryngology (2023).
[7] Smith, R., et al. Evaluation of Foreign Body Aspiration Score (FOBAS) in Children: A Retrospective Cohort Study. Pediatric Pulmonology (2020).
[8] Rodríguez, H., et al. Foreign body aspiration score (FOBAS): a prospectively validated algorithm for the management and prediction of foreign body aspiration in children. Frontiers in Pediatrics (2020).
[9] Pallin, N.D. et al. Anti-choking suction devices: potential and limitations. Frontiers in Public Health (2020).
Über den Autor
Dr. med. Jendrik Quade
Vater & Notarzt – Mit viel Leidenschaft für die medizinische Aus- und Fortbildung von Eltern und Fachpersonal
Dieser Beitrag wurde zuletzt am 17.06.2025 überarbeitet.