Was ist ein Fieberkrampf?
Ein Fieberkrampf ist für viele Eltern ein beängstigender Moment. Das eigene Kind fiebert, und plötzlich beginnt es zu zucken, die Augen zu verdrehen oder wirkt sogar bewusstlos. Wer das zum ersten Mal erlebt, ist oft zutiefst erschrocken. Umso wichtiger ist es zu wissen: So dramatisch das Geschehen wirkt – in den allermeisten Fällen ist ein Fieberkrampf harmlos und hinterlässt keine bleibenden Schäden. In diesem Artikel erfährst du, was hinter einem Fieberkrampf steckt, wie du ihn erkennst, wie du dich im Notfall verhalten solltest und welche Rolle Risikofaktoren und Impfungen spielen. Auch Fragen zu langfristigen Folgen und zur Möglichkeit der Vorbeugung werden auf Basis aktueller wissenschaftlicher Leitlinien und Studien geklärt.
Welche Kinder sind von Fieberkrämpfen betroffen?
Fieberkrämpfe zählen zu den häufigsten neurologischen Notfallsituationen im Kindesalter. Etwa 2-5% aller Kinder erleben mindestens einmal einen solchen Anfall in den ersten Lebensjahren, meist zwischen dem sechsten Lebensmonat und dem fünften Geburtstag. Der Häufigkeitsgipfel liegt dabei um den zweiten Geburtstag herum. Jungen sind etwas häufiger betroffen als Mädchen, wobei genetische Faktoren und individuelle Anfälligkeiten ebenfalls eine Rolle spielen können [1].
In der genannten Altersgruppe ist das kindliche Gehirn besonders anfällig für Krampfanfälle im Rahmen von Fieber, da die neuronale Reifung noch nicht abgeschlossen ist. Wenn ein Elternteil oder Geschwisterkind bereits Fieberkrämpfe hatte, steigt die Wahrscheinlichkeit, dass auch das eigene Kind einen Anfall erleidet. Darüber hinaus scheint ein besonders schneller Anstieg der Körpertemperatur eine Rolle zu spielen (wissenschaftlich noch nicht endgültig geklärt, aber beobachtet) – auch wenn die genauen Auslöser individuell unterschiedlich sein können [1].
Wie entsteht ein Fieberkrampf?
Ein Fieberkrampf ist definitionsgemäß ein epileptischer Anfall, der im Zusammenhang mit Fieber auftritt, ohne dass eine Infektion des zentralen Nervensystems oder eine vorbestehende Epilepsie vorliegt [1]. Meist treten Fieberkrämpfe bei einem plötzlichen Anstieg der Körpertemperatur auf, häufig im Rahmen eines Infekts. In etwa 75 % der Fälle beträgt die Körpertemperatur beim Auftreten des Anfalls mehr als 39 °C [1]. Ob eher die absolute Höhe des Fiebers oder der schnelle Anstieg ausschlaggebend ist, ist wissenschaftlich noch nicht abschließend geklärt.
Erste Hilfe beim Fieberkrampf - Das musst du konkret tun
Wenn dein Kind einen Fieberkrampf hat, gilt vor allem: Ruhe bewahren – auch wenn das leichter gesagt als getan ist.
Entferne gefährliche Gegenstände aus der Umgebung, polstere den Kopf
- So schützt du dein Kind vor Begleitverletzungen
- Bringe dein Kind in die stabile Seitenlage ohne es festzuhalten,
- insbesondere wenn es viel speichelt oder erbricht
Nichts in den Mund stecken! Weder einen Löffel noch die Finger.
- so verhinderst du das Eindringen von Fremdkörpern in die Atemwege
- Nicht selten kommt es zu einem Zungenbiss und somit dem Austritt von leicht blutigem Speichel aus dem Mund – das ist erstmal nicht schlimm, die Zunge wird im Verlaufe untersucht
Nicht festhalten oder schütteln
- du wirst durch das Festhalten den Krampf nicht stoppen können, sondern erhöhst eher die Verletzungsgefahr
Beobachte den Anfall genau
- Wie lange dauert er? Welche Körperteile sind betroffen?
Nach dem Krampfanfall
- i.d.R. ist das Kind sehr schläfrig, ggf. bewusstlos. Bringe es spätestens jetzt in die stabile Seitenlage
- Sollte das Kind bewusstlos sein und nicht normal atmen: Beginn einer Wiederbelebung (nur extrem selten erforderlich)
112 wählen, wenn:
- Es der erste Fieberkrampf des Kindes ist
- der Anfall länger als 3-5 Minuten dauert
- Wenn ggf. verabreichte Medikation bei bereits bekannten Fieberkrämpfen nicht wirkt
- Du unsicher bist
Wie äußert sich ein Fieberkrampf: Symptome und typischer Verlauf
Das typische Erscheinungsbild eines Fieberkrampfs kann sehr unterschiedlich sein, ist aber in vielen Fällen durch rhythmische Zuckungen der Extremitäten, eine vorübergehende Bewusstlosigkeit und einen postiktalen (postiktal = nach dem Krampf) Erschöpfungszustand gekennzeichnet. Viele Eltern beschreiben eine dramatische Situation, in der sie sich hilflos fühlen – auch weil die meisten Kinder nach dem Anfall zunächst schläfrig oder benommen wirken. Wichtig ist: Nach einem kurzen, unkomplizierten Fieberkrampf erholen sich Kinder in der Regel rasch und vollständig [1].
Einfache oder komplexe Fieberkrämpfe – was ist der Unterschied?
Ein einfacher Fieberkrampf ist generalisiert, dauert weniger als fünf Minuten, tritt nur einmal innerhalb von 24 Stunden auf und das Kind zeigt im Anschluss keine Auffälligkeiten. Ein komplexer Fieberkrampf dauert länger als fünf Minuten, ist fokal (betrifft nur eine Körperseite) oder tritt mehrfach innerhalb eines Tages auf. Diese Unterscheidung ist sowohl für die Prognose als auch für das weitere Vorgehen wichtig [1].
Was tun bei einem Fieberkrampf? Erste Hilfe für Eltern
Im akuten Notfall ist es vor allem entscheidend, Ruhe zu bewahren und das Kind vor möglichen Verletzungen zu schützen. Eine Lagerung in Seitenlage kann helfen, die Atemwege freizuhalten. Festhalten sollte man das Kind nicht, da dies zu Verletzungen führen kann. Auch ist es sinnvoll, die Dauer des Anfalls möglichst genau zu erfassen. Dauert der Anfall länger als fünf Minuten, sollte der Notruf gewählt werden, damit eine medizinische Versorgung erfolgen kann [1].
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Wann solltest du ärztliche Hilfe holen?
In folgenden Situationen ist ärztliche Abklärung immer angezeigt: wenn es sich um den ersten Fieberkrampf handelt, wenn der Anfall länger als fünf Minuten andauert, wenn er sich auf eine Körperhälfte beschränkt oder wenn er mehrfach innerhalb eines Tages auftritt. Auch bei anhaltender Bewusstseinstrübung oder dem Verdacht auf eine Hirnhautentzündung – etwa bei Nackensteifigkeit, Lichtscheu oder Hautveränderungen – sollte umgehend eine ärztliche Untersuchung erfolgen [1][3]. Über den Notruf 112 bekommst du stets Hilfe, insbesondere in lebensbedrohlichen Situationen wie länger andauernder Bewusstlosigkeit und Atemstörungen.
Muss ein Fieberkrampf medizinisch abgeklärt werden?
Die gute Nachricht: In den allermeisten Fällen sind Fieberkrämpfe harmlos. Nach einem einfachen Fieberkrampf ist in der Regel keine weiterführende Diagnostik wie ein EEG (Hirnstrommessung) oder eine Bildgebung (z.B. CT oder MRT) notwendig, sofern das Kind klinisch unauffällig ist [3]. Die Prognose ist ausgezeichnet. Kinder mit einem einmaligen, unkomplizierten Fieberkrampf entwickeln sich in der Regel ganz normal und haben kein erhöhtes Risiko für eine geistige Behinderung oder schulische Einschränkungen [3].
Wie hoch ist das Risiko für einen erneuten Fieberkrampf?
Tatsächlich erleben etwa ein Drittel der betroffenen Kinder einen weiteren Fieberkrampf, besonders wenn sie beim ersten Anfall jünger als 18 Monate waren, wenn die Körpertemperatur zum Zeitpunkt des Anfalls relativ niedrig war oder wenn es in der Familie bereits Fieberkrämpfe gab [1][3]. Auch ein besonders schneller Fieberanstieg – also ein Anfall weniger als eine Stunde nach Fieberbeginn – erhöht das Risiko [3].
Fieberkrampf und Epilepsie – besteht ein Zusammenhang?
Bei einem unkomplizierten Verlauf ist das Risiko für die Entwicklung einer Epilepsie kaum erhöht. Etwas anders sieht es bei komplizierten Fieberkrämpfen aus. Hier zeigen Studien, dass Faktoren wie eine Anfallsdauer von mehr als 15 Minuten, ein fokaler Verlauf, mehrfaches Auftreten in einem Infekt oder neurologische Auffälligkeiten das Risiko erhöhen können, später eine Epilepsie zu entwickeln [5]. Auch ein epileptiformes Muster im EEG (Hirnstrommessung) oder strukturelle Auffälligkeiten in der Bildgebung gelten als Risikomarker [5].
Kann man einem Fieberkrampf vorbeugen?
Der weitverbreitete Glaube, durch frühes oder konsequentes Fiebersenken einen Krampfanfall verhindern zu können, ist wissenschaftlich nicht belegt. Eine systematische Übersichtsarbeit kommt zu dem Ergebnis, dass Antipyretika – also fiebersenkende Mittel wie Paracetamol oder Ibuprofen – keinen nachweisbaren Einfluss auf die Wiederholungsrate von Fieberkrämpfen in späteren Infekten haben [4]. Lediglich in sehr seltenen Einzelfällen, zum Beispiel bei wiederholt sehr langen Anfällen, kann eine individuelle medikamentöse Prophylaxe diskutiert werden, etwa mit Diazepam – dies jedoch ausschließlich in Rücksprache mit Kinderneurolog:innen [1]. In unserem Kurs Hausapotheke Baby und Kind erfährst du mehr über die Anwendung von Paracetamol und Ibuprofen.
Fieberkrampf nach einer Impfung – was du wissen solltest
Ein häufiges Thema in Elterngesprächen ist auch der Zusammenhang zwischen Impfungen und Fieberkrämpfen. Tatsächlich können Impfungen – etwa gegen Masern, Mumps, Röteln oder Grippe – in seltenen Fällen zu einem fieberhaften Infekt bzw. einer Immunreaktion führen, die einen Fieberkrampf auslöst. Studien zeigen jedoch eindeutig: Das Risiko für einen impfassoziierten Fieberkrampf ist sehr gering, liegt bei etwa vier bis zehn Fällen pro 10.000 geimpfter Kinder – und unterscheidet sich nicht wesentlich von Fieberkrämpfen infolge anderer Infekte [1][3]. Wichtig ist daher vor allem: Impfungen sollen weiterhin wie empfohlen erfolgen, denn die Erkrankungen, gegen die geimpft wird, sind oft deutlich gefährlicher als der seltene Fieberkrampf. Und auch die Infektion mit einem Erreger würde wahrscheinlich einen Fieberkrampf auslösen.
Was du als Elternteil tun kannst, um vorbereitet zu sein
Eltern können helfen, indem sie sich informieren, Ruhe bewahren und das Vertrauen entwickeln, im Notfall handlungsfähig zu sein. Es ist hilfreich, sich schon vor dem ersten Anfall – etwa bei häufigem Fieber in der Familie – mit dem Thema auseinanderzusetzen. Das Wissen, dass Fieberkrämpfe meist harmlos und gut behandelbar sind, ist oft schon die wichtigste Beruhigung. In unseren Erste-Hilfe am Kind Kursen kannst du deine Rückfragen stellen und einen sicheren Umgang mit Notfallsituationen erlernen.
Für besonders Interessierte: Welche Rolle spielen Zytokine, Zink & Co.?
Fieberkrämpfe entstehen durch eine vorübergehende Übererregbarkeit des noch unreifen kindlichen Gehirns. In diesem Zusammenhang spielen verschiedene immunologische und biochemische Prozesse eine Rolle. Bei fieberhaften Infekten werden entzündungsfördernde Botenstoffe wie Interleukin-1β, IL-6 und IL-8 vermehrt ausgeschüttet. Diese Zytokine beeinflussen die Erregbarkeit von Nervenzellen und senken die neuronale Krampfschwelle [1]. Tierexperimentell konnte gezeigt werden, dass IL-1β die hemmende Wirkung von GABA – einem zentralen Neurotransmitter – reduziert und so die Anfallsbereitschaft erhöht. Auch das Verhältnis entzündungshemmender Gegenspieler wie IL-1RA scheint eine Rolle zu spielen [1]. Andere diskutierte Faktoren sind Mangelzustände von Magnesium, Eisen oder Zink sowie pH-Wert-Veränderungen durch Hyperventilation im Rahmen von Fieber. Zwar konnten einzelne Studien Zusammenhänge zeigen, doch bislang gibt es keine gesicherte therapeutische Konsequenz aus diesen Erkenntnissen.
Auch genetische Faktoren spielen eine Rolle: Bei Kindern mit dem sogenannten GEFS+-Syndrom (Generalisierte Epilepsie mit Fieberkrämpfen plus) treten Fieberkrämpfe familiär gehäuft auf und können im Verlauf auch zu anderen Anfallsformen führen. Dieses Syndrom ist jedoch sehr selten und betrifft nur einen kleinen Teil der Kinder mit Fieberkrämpfen [1].
Häufige Fragen zum Thema Fieberkrampf - Kurz und knapp
Was ist ein Fieberkrampf bei Kindern?
Ein Fieberkrampf ist ein krampfartiger Anfall, der bei Kindern im Alter von etwa sechs Monaten bis fünf Jahren in Verbindung mit Fieber auftreten kann. Dabei kommt es zu Muskelzuckungen, Bewusstlosigkeit oder Versteifungen. Meist sind Fieberkrämpfe harmlos und hören von selbst auf.
Wie lange dauert ein Fieberkrampf?
Ein typischer Fieberkrampf dauert unter 5 Minuten. Bei Krämpfen, die länger als 5 Minuten andauern oder sich wiederholen, sollte der Notruf (112) gewählt werden.
Ist ein Fieberkrampf gefährlich?
Ein einfacher Fieberkrampf ist in der Regel ungefährlich, sieht aber dramatisch aus. Komplizierte Fieberkrämpfe (lang, fokal, mehrfach) sollten ärztlich abgeklärt werden. In den meisten Fällen entstehen keine bleibenden Schäden.
Was soll ich tun, wenn mein Kind einen Fieberkrampf hat?
✔ Ruhe bewahren
✔ Kind schützen, nicht festhalten
✔ Nichts in den Mund stecken
✔ Zeit messen/stoppen
✔ Nach dem Krampf: Atmung & Bewusstsein kontrollieren
✔ Bei Unsicherheit oder Krämpfen > 5 Minuten: 112 rufen
Wann sollte ich den Notruf rufen?
Bei folgenden Situationen:
erster Fieberkrampf
Krampf dauert länger als 5 Minuten
Kind atmet schlecht oder wird blau
mehrere Krämpfe hintereinander
Krampfanfall bei Kindern unter 6 Monaten
Unsicherheit oder auffälliges Verhalten nach dem Krampf (Kind kann zunächst schläfrig sein, sollte sich aber rasch erholen)
Was passiert im Krankenhaus nach einem Fieberkrampf?
Es erfolgt eine körperliche und neurologische Untersuchung. Manchmal wird ein EEG oder eine Blutuntersuchung gemacht, um andere Ursachen (z. B. Meningitis) auszuschließen. In seltenen Fällen ist auch eine Untersuchung des Nervenwassers (Liquors) nötig.
Kann mein Kind wieder einen Fieberkrampf bekommen?
Ja, etwa 30–40 % der Kinder erleben einen weiteren Fieberkrampf. Das Risiko ist höher, wenn das Kind beim ersten Anfall sehr jung war oder enge Verwandte auch Fieberkrämpfe hatten (genetische Disposition).
Kann ich Fieberkrämpfe verhindern?
Nicht sicher. Fiebersenkende Medikamente helfen nur begrenzt. Bei bekannten Fieberkrämpfen kann die Kinderärzt:in ein Notfallmedikament (z. B. Midazolam) zur Anwendung durch die Eltern verordnen.
Ist ein Fieberkrampf dasselbe wie Epilepsie?
Nein. Ein Fieberkrampf ist eine gutartige Reaktion auf schnell ansteigendes Fieber bei kleinen Kindern (unreifes Nervensystem). Nur ein kleiner Teil der Kinder (weniger als 5 %) entwickelt später eine Epilepsie.
Darf mein Kind nach dem Fieberkrampf schlafen?
Ja, solange es wieder normal atmet, ansprechbar ist und keine weiteren Auffälligkeiten zeigt. Es sollte aber regelmäßig beobachtet werden. Bei Unsicherheit: lieber ärztlich abklären.
Quellen und weiterführende Links
[1] Kurlemann G, Muhle H et al. (2021). S1-Leitlinie: Fieberkrämpfe im Kindesalter. AWMF-Register Nr. 022-005.
[2] Kumar M et al. (2021). Zinc Supplementation for Prevention of Febrile Seizures Recurrences in Children: A Systematic Review and Meta-Analysis. Indian Pediatrics, 58(9), 857–859.
[3] Smith DK et al. (2019). Febrile Seizures: Risks, Evaluation, and Prognosis. American Family Physician, 99(7), 445–450.
[4] Hashimoto R et al. (2021). Use of antipyretics for preventing febrile seizure recurrence in children: a systematic review and meta-analysis. Eur J Pediatr, 180(4), 987–997.
[5] Zhang J et al. (2024). Risk factors for secondary epilepsy following febrile seizures in children: A meta-analysis. Epilepsy & Behavior, 161, 110051.
Über den Autor
Dr. med. Jendrik Quade
Vater & Notarzt – Mit viel Leidenschaft für die medizinische Aus- und Fortbildung von Eltern und Fachpersonal
Dieser Beitrag wurde zuletzt am 17.06.2025 überarbeitet.